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Irmgard Badura bei der BundesversammlungNürnberg: Irmgard Badura setzt sich u.a. dafür ein, dass die Belange behinderter Menschen unaufgefordert und umfassend in allen Politikfeldern berücksichtigt werden. Auf Vorschlag der bayerischen Landtagsfraktion der Grünen hatte die ehemalige Landesbehindertenbeauftragte von Bayern am 13. Februar 2022 die Möglichkeit, an der Bundesversammlung und damit an der Wahl des Bundespräsidenten teilzunehmen. Die aktive blinde Nürnbergerin hat es nach so langer Zeit der Corona-Beschränkungen genossen, einmal wieder so viele politisch aktive prominente und engagierte Menschen in einem Gebäude treffen zu können. Ottmar Miles-Paul vom Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion sprach mit Irmgard Badura über ihr Engagement und wie es dazu kam, dass sie bei der Bundesversammlung dabei sein konnte.

Ottmar Miles-Paul: Für Teilhabepolitik und Barrierefreiheit schlägt Ihr Herz ja schon lange. Wie kam es dazu?
 
Irmgard Badura: Bei der Selbsthilfe für uns sehbehinderte und blinde Menschen war ich schon vor gut 25 Jahren aktiv. Da hat sich eines um das andere ergeben und mir sind die Aufgaben zu politischen Gesprächen, Maßnahmen zur Aufklärung und Sensibilisierung immer wieder aufs Neue zugefallen. So war ich vor Ort, aber auch auf Bayern- und Bundesebene aktiv. Vor allem "Blickpunkt Auge“ - ein besonders weites und offenes Angebot für alle Menschen mit Augenproblemen - haben wir auf die Beine gestellt. Und dieses Netzwerken kann ich einfach nicht lassen!
 
Ottmar Miles-Paul: Einige Jahre haben Sie als Landesbehindertenbeauftragte von Bayern die Behindertenpolitik mitprägen dürfen. Was waren dabei für Sie besondere Highlights und was haben Sie daraus für sich mitgenommen?
 
Irmgard Badura: Ja, fast zeitgleich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 in Deutschland begann für mich diese sehr interessante und wirklich schöne Arbeit als Landesbeauftragte in Bayern. Das Wichtigste ist oder war mir, mit allen die Verantwortung tragen, wirklich auf Augenhöhe unsere Belange klar machen zu können. Viele in der Politik können sich ein Leben mit einer Beeinträchtigung einfach nicht vorstellen, was das heißt, für jede und jeden von uns, Tag für Tag. Glücklich bin ich über den gesetzlich vereinbarten Grundsatz im Schulgesetz: "Inklusion ist Aufgabe aller Schulen“. Auch die Etablierung des Studienganges "Gebärdensprachdolmetschen“ in Landshut geht auf meine Initiative zurück. Leider klappt vieles, was in Worten und Gesetzen vereinbart ist, dann in der Umsetzung nur eher schlecht und wird viel zu oft mit zu wenig Finanzen ernsthaft angegangen. Das ist schon auch eine traurige Erkenntnis, die mir und niemandem erspart bleibt.
 
Ottmar Miles-Paul: Derzeit engagieren Sie sich u.a. für Vielfalt und Inklusion bei Bündnis 90/Die Grünen, was machen Sie da genau und was treibt Sie sonst noch so um?
 
Irmgard Badura: Bei den Grünen gibt’s seit einiger Zeit ein so genanntes Vielfaltsstatut, das auch wir in Bayern im November 2021 unserer Satzung hinzugefügt haben. Es fordert die Partei, vor allem nach innen und dann natürlich auch nach außen und mit entsprechend vielfältigen Kandidat*innen, auf, sich um alle unsere unterschiedlichen Belange zu kümmern. In Nürnberg bin ich zu diesem Thema schon länger in einer Projektgruppe mit dabei, aber auch Inklusion und Teilhabe auf Bayernebene lässt mich natürlich nicht los - hier bin ich mit einer Kollegin aus München und drei weiteren Kolleg*innen aktiv.
 
Ottmar Miles-Paul: Am 13. Februar 2022 hatten Sie die Möglichkeit an der Bundesversammlung mitzuwirken und den Bundespräsidenten zu wählen. Wie kam es dazu und wie war das für Sie?
 
Irmgard Badura: Hierzu hat mich die grüne Landtagsfraktion aus Bayern eingeladen - mit wenigen anderen als Ehrengast. Das war natürlich etwas ganz besonderes. Nach so langer Zeit - wegen Corona-Beschränkungen - einmal wieder so viele, politisch aktive, prominente und engagierte Menschen in einem Gebäude treffen zu können, ich glaube, das haben wir alle sehr genossen!
 
Ottmar Miles-Paul: War das Wahlverfahren dort für Sie barrierefrei?
 
Irmgard Badura: (lacht) Da muss ich leider passen bzw. dem Bund den "Schwarzen Peter“ zuschieben. Ich habe zwar das Kreuzchen selbst gemacht, aber mein lieber Mann, in diesem Fall mein sehender Assistent, hat mit Daumen und Zeigefinger angezeigt, wo ich es mir gewünscht habe. Beim nächsten Mal muss das aber mit Schablone gehen - dafür werde ich mich einsetzen.
 
Ottmar Miles-Paul: Was ist Ihnen für die Zukunft in der Politik für unseren Personenkreis besonders wichtig?
 
Irmgard Badura: Ich möchte mehr und mehr erreichen, dass unsere Belange unaufgefordert und umfassend in allen Politikfeldern berücksichtigt werden. Es kann nicht ewig dauern, dass wir in der Bittsteller-Position verbleiben. Teilhabe an Bildung, im Arbeitsleben oder barrierefreie Angebote und Hilfen im Gesundheitswesen, bei Sport, Kultur und Freizeit müssen selbstverständlich zugänglich und nutzbar sein. Vielfalt ermöglichen ist das Gebot der Stunde, finde ich.
 
Ottmar Miles-Paul: Danke für das Interview.