I. Entwicklung und Einordnung
Die Vorschrift über die Versagung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes wegen fehlender Barrierefreiheit
wurde durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2002
(BGBl. I S. 1467) in das Gaststättengesetz (GastG) eingefügt. Es handelt sich hierbei um einen gewerberechtlichen Ansatz,
der Berücksichtigung finden muss, wenn eine neue Gaststättenerlaubnis beantragt wird. Dieser Weg wurde gewählt, weil das
Gaststättenrecht der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegt. Ergänzt wird die Vorschrift durch die Regelungen im
Bauordnungsrecht der Länder (siehe IV. E. 2. Bauordnungsrecht), die ihrerseits Vorschriften über die bauliche Gestaltung von
Gebäuden aufstellen, in denen Gaststätten betrieben werden sollen. Durch die Reform der bundesstaatlichen Ordnung
(Föderalismusreform) 2006 ist die Gesetzgebungskompetenz für das Gaststättenrecht auf die Länder übergegangen. Das
GastG des Bundes gilt nach Art. 125a GG noch solange als Landesrecht fort, bis eine landesrechtliche Neuordnung erfolgt ist.
II. Wesentlicher Inhalt
§ 4 GaststättenG nennt die Gründe, aus denen eine beantragte Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte von der zuständigen
Verwaltungsbehörde zu versagen ist. Gaststätten sind nach § 1 GastststättenG Schankwirtschaften zum Verzehr von Getränken
und Speisewirtschaften zum Verzehr von zubereiteten Speisen, jeweils an Ort und Stelle. Der Betrieb eines Gaststättengewerbes
muss dem Betreiber erlaubt werden ("Schankerlaubnis" oder Gaststättenkonzession). Allerdings wurde die Erlaubnispflicht in
2005 erheblich eingeschränkt. Nach § 2 Abs. 2 GaststättenG ist keine Gaststättenerlaubnis notwendig zur Verabreichung von
alkoholfreien Getränken (z.B. in Cafés, Milchbars, Eiscafés), unentgeltlichen Kostproben, zubereiteten Speisen
zur Mitnahme (Imbissstände, Fast-Food) oder Getränke und Speisen in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb
(Hotelfrühstück, Halb- oder Vollpension). Erlaubnispflichtige Gaststätten müssen allerdings in Räumen betrieben werden, bei
denen die für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen barrierefrei genutzt werden können (§ 4 Abs. 1 Nr. 2a GaststättenG).
Ansonsten muss die Erlaubnis versagt werden. Dies gilt allerdings nur für solche Gebäude, für die vor dem 1. November 2002
eine Baugenehmigung erteilt wurde. Da die Frage der Baugenehmigung nach dem Bauordnungsrecht der Länder unterschiedlich
geregelt ist, gibt es auch Gaststätten in Gebäuden, für die keine Baugenehmigung erforderlich ist. In diesem Falle gilt
die Verpflichtung zur Barrierefreiheit für alle nach dem 1. Mai 2002 errichtete Gaststätten. Auch ein wesentlicher Umbau
oder eine wesentliche Erweiterung nach diesen jeweiligen Stichtagen führt dazu, dass die Gaststätte nunmehr barrierefrei
sein muss. Barrierefrei müssen die "für Gäste bestimmten Räume" sein. Das sind außer den Gasträumen auch die Toilettenanlagen
und evtl. Nebenräume. Für die Barrierefreiheit gilt die Definition im Behindertengleichstellungsgesetz (siehe IV. A.).
Allerdings kann nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GastG die Gaststättenerlaubnis trotz Verstoßes gegen die Barrierefreiheit erteilt
werden, wenn eine barrierefreie Gestaltung der Räume nicht möglich ist oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen erreicht
werden kann. Dies kommt vor allem bei Umbauten und Erweiterungen in Betracht, z.B. von Kellerkneipen, in unzugänglichen
Altbauten oder bei topographisch ungünstigen Verhältnissen, etwa bei Berghütten. In diesem Falle kann eine Erlaubnis
erteilt werden, es bedarf also einer Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde. Hierbei kann auch bestimmt werden,
dass zwar keine unmöglichen Anforderungen gestellt werden, die möglichen Maßnahmen zur Barrierefreiheit aber genutzt werden —
wenn z.B. bei Kellerkneipen keine Zugänglichkeit für RollstuhlfahrerInnen erreicht werden kann, können aber jedenfalls eine
kontrastreiche Kenntlichmachung der Stufen und/oder ein Leitsystem für blinde Menschen in Betracht kommen.
III. Durchsetzbarkeit
Das Gaststättenrecht begründet Rechte und Pflichten für den jeweiligen Gaststättenbetreiber. Die zuständige Verwaltungsbehörde
ist für die Beachtung der Vorschriften zur Barrierefreiheit zuständig. Einem außen stehenden Dritten — also z.B. einem
behinderten Menschen, der wegen mangelnder Barrierefreiheit eine Gaststätte nicht aufsuchen kann — werden dagegen vom Gesetz
keine eigenen Ansprüche auf Einhaltung der Vorschriften eingeräumt. Er kann sich daher grundsätzlich auch nicht im Klagewege
gegen eine Verletzung der Pflicht zur Barrierefreiheit wenden. Deshalb wurde die Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 2a GaststättenG
in die Möglichkeit einer Verbandsklage einbezogen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGG). Ein anerkannter Verband könnte daher bei
Verstoß gegen die Barrierefreiheit gegen die zuständige Verwaltungsbehörde auf Feststellung eines Verstoßes gegen das
GaststättenG klagen.
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