Kassel, 29. September 2025: "Willkommen in einer gemeinsamen Welt!" So lautet der Schlusssatz der Rede, die Lukas Hernicht am 27. September 2025 auf der Kundgebung der Disability Pride Demo in Kassel hielt. In der Rede, die Lukas Hernicht von der Selbstvertretung junger Menschen mit Behinderungen (jumemb) mittels eines Sprachcomputers hielt, skizziert er eine Welt, in der er mit seinem hohen Unterstützungsbedarf gleichberechtigt und selbstbestimmt mit der nötigen Assistenz leben kann. Da es nicht üblich ist, dass Menschen, die einen Talker zur Kommunikation nutzen, auf Kundgebungen zu Wort kommen, dokumentiert das Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion im Folgenden die Rede von Lukas Hernicht, die dieser dankenswerterweise zur Veröffentlichung bereitgestellt hat.
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Rede von Lukas Hernicht bei der Disability Pride Demo am 27. September 2025
Hallo alle. Ich heiße Lukas und komme aus München. Ich habe von Geburt an eine Zerebralparese und brauche Assistenz für alles in meinem Leben. Ich kommuniziere unterstützt mit Assistenz und einem Sprachcomputer. Aufgrund meiner schweren körperlichen Behinderung brauche ich gute Assistenten, um teilhaben zu können. Ich habe viel Ausgrenzung erlebt – in meiner Schulzeit und auch danach. Mit vertrauten Assistenten in der Schule zu lernen war nicht möglich, und so durfte ich keinen Abschluss machen und wurde auch nicht in einer Werkstatt aufgenommen. Das Leben für Menschen wie mich soll so verlaufen, dass wir in Förderstätten sitzen, ohne Assistenten, und den anderen bei ihrer Arbeit und ihrem Leben zuschauen. Das macht mir Angst, und ich habe angefangen, mich zu zeigen und anderen über mein Leben mit Selbstbestimmung und Wünschen zu erzählen. So wurde ich auch Mitglied der Gruppe Jumemb, in der Menschen mit Behinderung sich politisch engagieren und ihre Interessen selbst vertreten. Deshalb spreche ich heute vor euch. Ich habe mir Gedanken gemacht über eine Welt, wie sie aussieht, wenn wir alle voll daran teilhaben können.
In dieser Welt können Mundsprecher mich ansprechen und mir in die Augen schauen und warten, bis ich antworte – mit meiner Mimik oder meinem Sprachcomputer. Sie haben keine Angst vor Kontakt. Sie können ihren Kindern erklären, warum ich im Rollstuhl sitze. Dann habe ich das Gefühl, dass ich einen guten Platz zwischen ihnen habe. Zur Umsetzung brauchen wir gute Assistenten, die ohne rechtlichen Kampf mit gutem Gehalt vom Staat finanziert werden.
In dieser Wunschwelt können wir behinderten Menschen arbeiten – nach unseren Fähigkeiten und Träumen, mit allen Menschen zusammen, mit der Unterstützung, die wir dafür brauchen, und mit Geld für unsere Arbeit, von dem wir auch leben können. Dafür werden wir auch ausgebildet oder dürfen studieren. Bildung muss selbstverständlich sein für behinderte Menschen. Sie müssen auch nicht mit Intelligenztests nachweisen, dass sie lernen können. Die Schulen sollen so gestaltet werden, dass alle Kinder zusammen lernen dürfen. Bildung gemeinsam ermöglicht, dass alle voneinander lernen und verstehen, was jeder braucht. Wissen bedeutet, dass Veränderung möglich ist, und wir können zusammen die Welt verändern. So ist Teilhabe möglich. In dieser Welt können wir auch zusammen Spaß in der Freizeit haben, weil es keine Grenzen gibt, die wir nicht schaffen können – wie etwa mit Rollstuhl bei einem Segeltörn mitfahren und unter dem Sternenhimmel schlafen und die Fische im Meer beobachten. Willkommen in einer gemeinsamen Welt!
Link zum Bericht der kobinet-nachrichten zur Disability Pride Demo vom 28. September 2025