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Foto von: Marco Kölln, Tobias Giemza, Florian Timm und Sandra-Nicole RohrHamburg: Inspiriert durch die unterstützte Beschäftigung behinderter Menschen in den USA wurde die Hamburger Arbeitsassistenz vor 30 Jahren im März 1992 als Modellprojekt gegründet. Zwischenzeitlich hat die von der Landesarbeitsgemeinschaft Eltern für Inklusion gegründete gemeinnützige GmbH über 1.000 behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt und entsprechend unterstützt. Neben der geballten Kompetenz in Sachen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, spielt bei der Hamburger Arbeitsassistenz der Peer Aspekt, also die Erfahrungen von behinderten Menschen mit der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, eine wichtige Rolle. Davon konnten sich Ottmar Miles-Paul und Susanne Göbel vom Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion bei einem Besuch der Hamburger Arbeitsassistenz ein Bild verschaffen. U.a. trafen sie dort einen elektrorollstuhlnutzenden Kurierfahrer, einen Mitarbeiter einer Ergotherapiepraxis und einen ehemaligen Mitarbeiter einer Bücherhalle.

Bericht von Ottmar Miles-Paul

Als Susanne Göbel bei der Arbeitsassistentin Sandra-Nicole Rohr, die bei der Hamburger Arbeitsassistenz Ansprechpartnerin für das Peer Projekt und Persönliche Zukunftsplanung ist, anfragte, ob ein Besuch der Hamburger Arbeitsassistenz im Rahmen einer Tour zu guten Nachrichten zur Inklusion möglich wäre, war diese nicht nur sofort dazu bereit, sondern organisierte gleich ein Treffen mit drei Peer Experten. Denn ihr und der mittlerweile ca. 130 Mitarbeiter*innen zählenden Hamburger Arbeitsassistenz ist es wichtig, dass die Erfahrungen und Sichtweisen behinderter Menschen Berücksichtigung in der Tätigkeit der Organisation finden. Und so saßen wir an einem sonnigen Freitagnachmittag bei Kaffee und Kuchen in den Räumen der Hamburger Arbeitsassistenz im Herzen des Sternschanzen-Viertels zu einem engagierten Plausch zusammen.

Bereits in der Vorstellungsrunde wurde deutlich, wie vielfältig die Erfahrungen mit einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind. Alle drei Peer Experten haben gemeinsam, dass sie nicht oder nicht mehr in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten möchten. Die inklusiv ausgerichtete Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und eine damit verbundene entsprechende Bezahlung ist ihnen u.a. wichtig. Und dafür haben sie ihre Zukunft selbst in die Hand genommen, viel gelernt und sind auch manche Herausforderung angegangen. Dass dabei auch eine entsprechende Unterstützung nötig ist, das wurde von ihnen im Gespräch immer wieder betont. Florian Timm und Marco Kölln haben früher in einer Werkstatt gearbeitet, waren aber mit der dortigen Beschäftigung nicht mehr zufrieden, so dass sie sich an die Hamburger Arbeitsassistenz gewandt haben.

Spannend sind dabei die Tätigkeiten, die die Peer Experten derzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben, bzw. bereits ausgeübt haben. Florian Timm sticht dabei nicht nur aufgrund der Nutzung eines Elektrorollstuhls auf den ersten Blick heraus, sondern auch wegen der für ihn gefundenen Tätigkeit. Er arbeitet als Kurierfahrer in einem Klinikum und transportiert dort u.a. Blutproben von einer Teststelle ins Labor. Nach dem scherzhaften Einwurf, dass er sein Dienstfahrzeug ja immer dabei habe, erfuhren wir, dass er für seine Tätigkeit eigens einen weiteren Elektrorollstuhl als Dienstfahrzeug vom Integrationsamt gefördert bekommen hat. Schließlich lege er damit täglich einige Kilometer zurück. Auch wenn es anfangs einiges Neues für Florian Timm zu lernen gab und es im Klinikum immer noch Ecken gibt, die er nicht kennt, ist er dort mit seiner Tätigkeit mittlerweile fest verankert und nicht mehr wegzudenken. Vor allem ist er dort nicht zuletzt auch wegen seines freundlichen Wesens bekannt wie ein bunter Hund.

Tobias Giemza arbeitet in einer Ergotherapiepraxis und ist dort sozusagen der Mann für alle Fälle. Seine Aufgaben sind beispielsweise die Räume in Ordnung zu halten, Aufräumen, Wischen und Fegen, den Müll entsorgen sowie die Küche und das Badezimmer sauber zu halten. Zudem führt er Gartenarbeiten aus, bringt die Post weg, erledigt kleine Einkäufe und stellt Getränke für die Gäste bereit. Er trägt durch seine Tätigkeiten mit dazu bei, dass alles in Ordnung ist und die Kund*innen sich wohl fühlen können. Zudem entlastet er damit die Ergotherapeut*innen bei ihrer Arbeit. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass es bei der Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt immer wieder einiges zu lernen gibt und dass dies zum Teil herausfordernd ist. Aber es nicht zu versuchen, kommt für ihn nicht in Frage, denn auch andere Arbeitnehmer*innen müssen immer wieder etwas dazulernen und sich neu eingewöhnen. Für Tobias Giemza ist daher der Austausch unter behinderten Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten bzw. dort arbeiten wollen, ganz wichtig. Denn in einem offenen Austausch könne man Dinge ansprechen, die man sonst nicht so einfach mit der Familie oder Freunden besprechen kann. Vor allem sei die gegenseitige Unterstützung auf Augenhöhe ganz wichtig.

Marco Kölln ist derzeit auf Arbeitssuche, nachdem er längere Zeit u.a. in einer Bücherhalle gearbeitet hat, wie in Hamburg die öffentlichen Büchereien genannt werden. Krankheitsbedingt hatte es dort zwischenzeitlich für ihn nicht mehr geklappt, dennoch hofft er, dass er in diesem oder einem ähnlichen Bereich wieder eine Tätigkeit findet. Denn die Arbeit hat ihm sehr viel Spaß gemacht. Problematisch ist für ihn derzeit, dass beim Budget für Arbeit in der Regel keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt werden, so dass er momentan keine Unterstützung bekommt. Diese Regelung muss seiner Ansicht nach unbedingt geändert werden, denn er will auf keinen Fall zurück in eine Werkstatt für behinderte Menschen. Deshalb befindet sich Marco Kölln derzeit mit Unterstützung der Hamburger Arbeitsassistenz auf Arbeitssuche. Dafür gibt es bereits einige Ideen, an denen gearbeitet wird. Sein Beispiel zeigt, dass es bei der Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht immer alles glatt läuft und wie bei anderen Arbeitnehmer*innen auch immer mal wieder Veränderungen anstehen. Auch deshalb ist für Marco Kölln der Austausch mit anderen Peer Expert*innen so wichtig, um sich gegenseitig Mut zu machen und positiv in die Zukunft zu blicken.

Für Sandra-Nicole Rohr, die bei der Hamburger Arbeitsassistenz behinderte Menschen dabei unterstützt, ihre Zukunft zu planen und Arbeitsstellen zu finden bzw. zu erhalten, ist das know how der Peer Expert*innen in vielerlei Hinsicht das Salz in der Suppe ihrer täglichen Arbeit. Die gut 25 Peer Expert*innen treffen sich nach einigen Herausforderungen während der Corona-Pandemie wieder öfter zum Austausch und bieten ihre Expertise auch im Rahmen von Veranstaltungen wieder verstärkt an. Sei es bei Veranstaltungen oder bei Schulbesuchen, die Erfahrungen der Peer Expert*innen im Bereich Arbeit zeigen Möglichkeiten für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf und ermöglichen einen Austausch auf Augenhöhe. Um Arbeitgeber*innen zu gewinnen, die behinderte Menschen anstellen, ist für Sandra-Nicole Rohr eine gute Vertrauensbasis am wichtigsten. Deshalb steht für sie meist das Kennenlernen und Ausprobieren, was geht und was nicht geht, an erster Stelle. Wenn ein Vertrauensverhältnis und eine entsprechende Offenheit auf beiden Seiten vorhanden ist, dann ist oft viel möglich und eine Basis für eine längerfristige Beschäftigung gegeben.

Was die Werkzeuge angeht, die der Hamburger Arbeitsassistenz zur Unterstützung behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, reichen diese von der Persönlichen Zukunftsplanung, über die Beratung potentieller Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, Schulungen und den Peer Austausch auf gleicher Augenhöhe, bis zur Nutzung verschiedener Förderinstrumente, wie das Budget für Arbeit, die Unterstützte Beschäftigung und auch das Budget für Ausbildung. Nach einigen coronabedingten Herausforderungen für die Beschäftigung behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hoffen die Aktiven der Hamburger Arbeitsassistenz, dass sie nun wieder richtig Fahrt aufnehmen und vor allem mittels eines guten Peer Austausches noch mehr behinderte Menschen dabei unterstützen können, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzustreben und dies zu erreichen.

Link zum Projekt Peers / Expert*innen

https://www.hamburger-arbeitsassistenz.de/projekte/archiv/peers-/-expert-innen.html

Link zu Infos zu den Angeboten für Kund*innen der Hamburger Arbeitsassistenz:

https://www.hamburger-arbeitsassistenz.de/angebote/kund-innen.html

Link zu Infos zu den Angeboten für Arbeitgeber*innen der Hamburger Arbeitsassistenz:

https://www.hamburger-arbeitsassistenz.de/angebote/arbeitgeber-innen.html

Link zu Infos zu den Angeboten für Fachleute der Hamburger Arbeitsassistenz:

https://www.hamburger-arbeitsassistenz.de/angebote/fachleute.html

Link zum Film über die Angebote der Hamburger Arbeitsassistenz:

https://www.youtube.com/watch?v=_k9p4A-F46g