Logo: Gute Nachrichten zur Inklusion Copyright: Marleen Soetandi

ParagrafenzeichenBremen: Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen hat in einem Beschluss von November 2023 festgestellt, dass auch nach Erreichen des Rentenalters ein Anspruch auf eine notwendige Arbeitsassistenz für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bestehen kann. Diese Entscheidung, auf die Henry Spradau in einem Beitrag für die kobinet-nachrichten aufmerksam macht, ist für das NETZWERK ARTIKEL 3 eine gute Nachricht zur Inklusion. Denn dabei geht es um eine Frage, die immer mehr behinderte Menschen beschäftigt, die auf Arbeitsassistenz angewiesen sind und nach dem Eintritt in die Rente trotzdem noch arbeiten wollen oder müssen.

Bericht von Henry Spradau

Anspruch auf Leistungen für Arbeitsassistenz

Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen hat in einem Beschluss von November 2023 festgestellt, dass auch nach Erreichen des Rentenalters ein Anspruch auf eine notwendige Arbeitsassistenz für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bestehen kann.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine selbständig tätige Körper- und Atemtherapeutin erhielt Leistungen der Arbeitsassistenz (§ 185 Abs. 5 SGB IX). Sie ist mit einem GdB von 100 (Merkzeichen BL und H) schwerbehindert.

Auch nach Eintritt ins Rentenalter beantragte sie die Weiterbewilligung. Sie begründete dies damit, dass sie ihre selbständige Tätigkeit weiter ausüben müsse, da ihre Einkünfte aus Altersrente und Renten aus Lebensversicherungen unterhalb ihres monatlichen Grundbedarfs lägen. Andernfalls sei sie auf Sozialhilfe angewiesen. Außerdem sei ihre Tätigkeit für sie eine wichtige Form der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Der Antrag wurde vom Integrationsamt abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Leistungen für eine notwendige Arbeitsassistenz. Dem stehe nicht entgegen, dass sie bereits die Regelaltersgrenze für Rentenleistungen überschritten habe und die ausgeübte Tätigkeit wirtschaftlich nicht tragfähig sei.

Es obliege der Klägerin, ob sie ihre selbständigeTätigkeit vollständig oder teilweise weiterführen möchte. Wie jeder Arbeitnehmer könne auch sie nach Erreichen der Regelaltersrente stufenweise aus der Erwerbstätigkeit aussteigen und darüber selbst entscheiden.

Die Auffassung, dass die Tätigkeit eine ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage sicherstellen müsse, sei überholt. Das Recht auf größtmögliche und selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben umfasse auch die sich am Ende einer Erwerbsbiografie ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten. Zur Vermeidung einer sozialrechtlichen Hilfsbedürftigkeit sei es für die Klägerin notwendig, weiter selbständig tätig zu sein. Unbeachtlich sei auch, ob sie mit ihrer Tätigkeit den gesetzlichen Mindestlohn unterschreite.

Das VG verwies ferner auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.1.2022 (5 C 6.20), das zu einem vergleichbaren Ergebnis gekommen war.

Beschluss VG Bremen vom 17.11.2023 – 3 K 2812/20 –