Schutz 0811

Berlin, 8. Juli 2025: Berücksichtigt das deutsche Baurecht der Bundesländer die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)? Werden die Belange von Menschen mit Behinderungen beim Wohnungsbau, aber auch bei Denkmälern berücksichtigt? Können die Länder sanktionieren, wenn die Vorgaben zum barrierefreien Bauen verletzt werden? Und ist das Genehmigen standardisierter Bautypen eine Gefahr für Barrierefreiheit? Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Institut für Menschenrechte hat die Bauordnungen und Denkmalschutzgesetze der Länder hinsichtlich dieser Fragen, der Vorgaben zu Barrierefreiheit und der Belange von Menschen mit Behinderungen untersucht. Die Auswertung der Untersuchung hat das Team kartografiert und in vergleichenden Übersichten zusammengestellt, wie die Bundesländer beim Bauen und Denkmalschutz verfahren. Im Ergebnis zieht die Monitoring-Stelle eine durchwachsene Bilanz: Trotz Unterschieden zwischen den Rechtsgrundlagen der Länder herrscht flächendeckend noch Handlungsbedarf. Das ist alarmierend, denn die Gesetze sind für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zentral.

Der Anteil an barrierefreien Wohnungen sei überall viel zu niedrig angesichts der riesigen Versorgungslücke. Die Ausnahmeregelungen vom Barrierefreien Bauen seien zudem durchweg zu weit gefasst. Und Sanktionen bei Verstößen gegen die Barrierefreiheitsvorgaben seien kaum vorgesehen, heißt es vonseiten der Monitoringstelle UN-Behindertenrechtskonvention. „Für ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft sind barrierefreie Wohnungen unerlässlich. Es sind aber nur etwa zwei Prozent aller Wohnungen in Deutschland so barrierefrei, dass man dort auch wohnen kann, wenn man auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen ist“, erklärte Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention. Auch Sabrina Prem, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, sieht Handlungsbedarf und plädiert für eine Überarbeitung der Musterbauordnung und des Baurechts der Bundesländer für eine flächendeckende Gewährleistung von Teilhabe: „Es ist leider immer noch so, dass die Landesbauordnungen den Belangen von Menschen mit Behinderungen kaum Gewicht beimessen und Barrierefreiheit dort viel zu nachrangig behandelt wird. Das gilt auch für Verstöße gegen die Barrierefreiheitsvorgaben. Zwar haben einige Länder Sanktionsmöglichkeiten in Form von Ordnungswidrigkeiten vorgesehen; sind jedoch die Ausnahmeregelungen schon zu weit gefasst, hilft dies nur bedingt.“

Um Barrierefreiheit in Deutschland Realität werden zu lassen und die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen, bieten die Gesetze einen zentralen Anknüpfungspunkt. Das Institut plädiert für eine deutliche Überarbeitung der Musterbauordnung und verweist dafür auf die im Dezember 2024 erschienenen baufachlichen Empfehlungen der Bundesfachstelle Barrierefreiheit. Schon jetzt sollten die Bundesländer ihre eigenen Landesbauordnungen überarbeiten und den Mut haben, über den aktuellen Wortlaut der Musterbauordnung hinaus gestaltend im Sinne der UN-BRK tätig zu werden.

Links zu weiteren Informationen:

Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention: Baurecht. Bund und Länder im Vergleich

Thema im Menschenrechtsbericht 2023: Selbstbestimmtes Leben braucht barrierefreien Wohnraum (Kapitel 6, S. 133-146)

Bundesfachstelle Barrierefreiheit: Baufachliche Empfehlungen zur Barrierefreiheit für eine Änderung der Musterbauordnung