Berlin, 23. Dezember 2024: Während noch die letzten Geschenke für Weihnachten besorgt werden und die Gabentische so langsam bestückt werden, ist eines im Vorfeld des diesjährigen Weihnachtsfestes schon klar: Der behindertenpolitische Gabentisch bleibt in diesem Jahr trotz einer Vielzahl von wiederholten Versprechungen weitgehend leer. Auch wenn es keiner mildtätiger Gaben in Sachen Behindertenpolitik vonseiten der Politik bedürfte und es schlichtweg ausreichen würde, wenn diese ihren Verpflichtungen aus der von Deutschland bereits 2009 ratifizierten Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen gerecht würde, will aus behindertenpolitischer und menschenrechtlicher Sicht dieses Jahr, wie schon in so vielen Jahren zuvor, keine rechte Freude unter dem weitgehend leeren Gabentisch aufkommen, wie Ottmar Miles-Paul am Vorabend des 24. Dezember 2024 feststellt.
Kommentar von Ottmar Miles-Paul
Dabei wäre es so leicht für die ehemalige Ampel aus SPD, Grünen und FDP gewesen. Vor drei Jahren hatten die Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP viele behinderte Menschen und ihre Verbände in der Vorweihnachtszeit mit der Präsentation eines behindertenpolitisch sehr gut gelungenen Koalitionsvertrags freudig gestimmt und große Hoffnung verbreitet. Die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), des Behindertengleichstellungsgesetz für mehr Barrierefreiheit. Entscheidende Schritte für einen barrierefreien Nahverkehr und Initiativen für einen inklusiven Arbeitsmarkt und vieles mehr klang gut in den Ohren so mancher Zeitgenoss*innen.
Eine Weile lang dienten Ausflüchte wegen der Corona Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine erst einmal als verständliche Argumente für den Aufschub der Umsetzung dieser behindertenpolitischen Maßnahmen. Das Verständnis dafür schwand aber zusehends und als dann eine halbherzige Minireform mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts verabschiedet wurde, vertrauten immer noch viele den Versprechungen der Regierungskoalition, dass da noch einiges mehr kommt.
Ende August 2023 lauschten viele immer noch hoffnungsfroh bei den vielen Bekundungen der Vertreter*innen Deutschlands vor dem Ausschuss der Vereinten Nationen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zur Staatenprüfung Deutschlands mit den vielen Verweisen, was die Koalition noch alles in dieser Legislaturperiode umsetzen will. Wieder ein Grund zur Hoffnung. Viele Ideen, Untersuchungen und sogar Gesetzentwürfe lagen spätestens Anfang 2024 vor, aber Woche um Woche, Monat um Monat, blieb es bei Vertröstungen und verschlossenen Schubladen, in denen die Referentenentwürfe schlummerten. Als die Ampelkoalition dann im November 2024 platzte war spätestens klar, dass dies behindertenpolitisch gesehen kein schönes Weihnachten wird. Und auch die Hoffnung, dass sich diejenigen, die gerne große Reden in Sachen Inklusion und Barrierefreiheit schwingen im Bundestag fraktionsübergreifend zusammen raufen und die verbleibende Zeit bis zur Neuwahl noch für einige Reformen nutzen, war vergebens. Ihnen fehlt leider, wie schon so oft bewiesen, die Durchschlagskraft in ihren Fraktionen. Der Wahlkampf scheint da wichtiger zu sein. Auch die Rute von Knecht Ruprecht, die die Verbände zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen versucht haben, auszupacken, blieb wirkungslos und erreichte nicht diejenigen, die es verdient hätten, ob ihrer Untätigkeit zurechtgewiesen zu werden.
So blicken behindertenpolitisch gesehen nun viele auf einen weitgehend leeren Gabentisch mit den schönen Klängen von Inklusionsgedudel, dem Beigeschmack von täglich massenhaft stattfindenden Menschenrechtsverletzungen in Deutschland und wenig Hoffnung, dass eine neue Regierung unter den sich derzeit abzeichnenden Mehrheiten einen Wandel in der jahrzehntelangen praktizierten Exklusionspolitik in Deutschland bringen könnten. Diejenigen, die großes Beharrungsvermögen an diesem Exklusionssystem praktizieren, können demgegenüber erneut ein recht angenehmes Weihnachtsfest genießen und vielleicht den einen oder anderen Sektkorken knallen lassen. Bei diesen miesen Aussichten auf den leeren Gabentisch bleibt für die Behindertenbewegung leider nur die Besinnung auf sich selbst, dass wir trotz dieser Enttäuschungen nicht locker lassen dürfen. So bleibt Weihnachten leider auch weiterhin ein Fest der Hoffnung.