Magdeburg (kobinet) «Reißt die Mauern nieder» lautet der Slogan auf dem Button, der zum Abschluss der Auftaktveranstaltung für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen in Magdeburg von VertreterInnen der Behindertenbewegung als Zeichen der Solidarität für diejenigen verteilt wurde, die meist ohne Alternativen noch in Sondereinrichtungen leben und nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen konnten. Mit lautem Beifall unterstützten die TeilnehmerInnen der Eröffnungsveranstaltung diese Forderung und stellten sich damit eindeutig hinter das Recht auf gemeindenahe Wohn- und Unterstützungsformen für Menschen mit einem höheren Unterstützungsbedarf und bekräftigten die Notwendigkeit für ein Assistenzsicherungsgesetz.
Am Morgen wurden in vier Arbeitsgruppen zentrale Fragen der Behindertenpolitik wie die Ausgestaltung der Barrierefreiheit, Gesundheitsfragen oder die Assistenzabsicherung diskutiert. Neben der Forderung nach der vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Karl Hermann Haack, für Juli angekündigten Verabschiedung des zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes und der Reform des Sexualstrafrechtes, bildet die eindeutige Absicherung der Assistenz einen Schwerpunkt der weiteren Aktivitäten der Verbände für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen. Als einer von vier Kongressbeobachtern fasste Ottmar Miles-Paul die Herausforderungen zur Absicherung der Assistenz wie folgt zusammen. «Mit der Sicherstellung einer umfassenden Wahlfreiheit müssen wir den Automatismus der Unterbringung von Menschen mit einem höheren Unterstützungsbedarf in stationären Einrichtungen durchbrechen und Wahlmöglichkeiten bieten, die von der Unterstützung durch Ambulante Dienste, über Assistenzgenossenschaften bis zur Selbstorganisation der Assistenz reichen. Die Leistungen müssen ähnlich wie in Schweden aus einer Hand bewilligt werden und bedarfsgerecht, einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden».
Der Moderator der Veranstaltung Alexander Niemetz bekräftigte die Notwendigkeit, dass die Diskussionen im geschlossenen Kreis auch eine breitere Öffentlichkeit erreichen müssen, was von Dr. Sigrid Arnade und Keyvan Dahesch in der Schlussrunde bekräftigt wurde. «Die Öffentlichkeitsarbeit der Verbände muss unbedingt verbessert werden», so Arnade. Mit dem Appell dafür einzutreten, dass die Mauern in den Köpfen, aber auch die Mauern von Einrichtungen, so wie am Vortag in der Evangelischen Stiftung Hephata eingerissen werden, ging die vom Team der Nationalen Koordinierungsstelle für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen ausgezeichnet organisierte Veranstaltung zu Ende.
Der Text, der mit einer Karte zu dem Button verteilt wurde lautet:
Reißt die Mauern nieder! Tragen Sie diesen Button als Zeichen der Solidarität mit den behinderten Menschen, die ohne Alternativen in Einrichtungen leben. Zurzeit leben in Deutschland noch ca. 160.000 behinderte Menschen in Großeinrichtungen. Fast 20% der geistig- und mehrfachbehinderten Menschen leben in Zimmern mit drei und mehr Betten. 43% der geistig-, körper- und mehrfachbehinderten Menschen leben mit einer zweiten Person auf einem Zimmer, was von ihnen oft nicht selbst gewünscht wird. ALLE Menschen - unabhängig von der Höhe ihres Unterstützungsbedarfs - haben ein Recht darauf, außerhalb von Großeinrichtungen zu leben und die Unterstützung, die sie benötigen, gemeindenah zu bekommen.
hjr
am Donnerstag, 01.01.1970, 01:00