(HGH) Manche können sich noch an den 3. Dezember 2001 erinnern: Überraschend zog die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin am Welttag der Behinderten einen Entwurf für ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (ZAG) aus der Tasche und stahl damit der nur wenige Meter entfernt tagenden Versammlung des Deutschen Behindertenrates die Show. Kurze Zeit schien es so, als sollte das ZAG noch vor dem BGG die parlamentarischen Hürden nehmen, doch dann scheiterte der Entwurf an den Bedenken der Wirtschaft, die die »Vertragsfreiheit« in Gefahr sah und an den Kirchen, die das Merkmal »Religion« nicht aufgenommen haben wollten. Für behinderte Menschen gab es über das OLG-Vertretungsänderungsgesetz einige Verbesserungen, aber ein umfassendes ZAG blieb weiter auf der Tagesordnung.
Nun stand für die neue Bundesregierung weiterhin an, die Richtlinie 2000/43/EG umzusetzen, die eine Diskriminierung aufgrund von Merkmalen der »Rasse« und der ethnischen Herkunft verbietet. Dies muss bis zum 19. Juli 2003 geschehen sein. Während Justizministerin Zypries und der Bundeskanzler eine enge Umsetzung (nur auf die beiden Merkmale bezogen) zu favorisieren scheinen, wollen die Bündnisgrünen ein umfassendes Gesetz. Sie verweisen auf weitere ergangene und in Vorbereitung befindliche EU-Richtlinien, etwa 2000/78/EG (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, hier ist das Merkmal »Behinderung« vorgesehen), die bis Dezember 2003 umgesetzt werden muss und auf den Artikel 13 des Vertrages von Amsterdam, in dem viele Kriterien zur Nichtdiskriminierung angesprochen werden.
Wenn also EU-Recht umgesetzt wird, so sagen die Grünen, dann gleich richtig und sie hatten zum Zwecke einer »Versachlichung« der Diskussion eingeladen. Am 27. Mai trafen sich in Berlin die VertreterInnen vieler von Diskriminierung betroffener Menschen, RechtsexpertInnen aus dem In- und Ausland sowie VertreterInnen von Wirtschaftsverbänden und der Kirchen. Einig war man sich nach dem Fachgespräch, dass ein ZAG nur mit einem breiten Ansatz von Diskriminierungsmerkmalen sinnvoll sei. Ferner näherten sich die Standpunkte der Kirche und der Grünen an, da ein sinnvoller Katalog von Ausnahmetatbeständen in das ZAG aufgenommen werden solle. Ein »Gesetz mit Augenmaß« wurde auch von den anwesenden WirtschaftsvertreterInnen nicht abgelehnt. Bleibt jetzt nur noch die spannende Frage, wie sich Grüne und SPD intern einigen, denn aus dem Lager der großen Koalitionspartei war keiner geladen. Da es auch noch keinen neuen Gesetzentwurf für ein ZAG gibt, wird der Termin eines Inkrafttretens am 19. Juli, den Karl Hermann Haack im Februar 2003 in Magdeburg ankündigte, nur Makulatur sein. Mit der Unionsmehrheit im Bundesrat kann sich die Regierung nicht herauswinden, da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Bleibt zu hoffen, dass es mit dem ZAG bald ein gutes Ende geben wird!
am Donnerstag, 01.01.1970, 01:00